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Fotos: wikipedia.org _______________________________________________________________
von Javier Fernandez Cordero
Es begann die Zeit des Wandels im Schach; es entstand die von Steinitz eingeführte „moderne Schule", die die alten Theorien erschütterten, und die „romantischen" Spieler wurden in den Hintergrund gedrängt. Einige widerstrebten diesen neuen positionellen Prinzipien. Mikhail Tschigorin war zweifellos der brillanteste unter den „Rebellen".Es war ein Jahr her, als William Steinitz die Weltmeisterschaft gegen Mikhail Tschigorin in La Habana 1889 mit folgendem Ergebnis gewann:
Bild: echesspedia.com
Gleichzeitig war es ein Duell zwischen zwei Philosophien: Steinitz vertrat eine streng „wissenschaftliche" Lehre, nach der es immer einen besten Zug gibt und spektakuläre Kombinationen nur nach einem Fehler des Gegners möglich sind. Tschigorin hingegen galt als „Romantiker", der den Gedanken des schöpferischen Schachs propagierte.
Die russischen Fans waren sehr unglücklich, weil sie glaubten, dass ihr bester Spieler in jener Zeit durch die Wahl des Standortes benachteiligt gewesen sei: denn er musste aus dem winterlichen St. Petersburg in den warmen und feuchten Sommer von Kuba reisen.
In der Tat wurde nachgewiesen, dass Tschigorin dadurch physisch beeinträchtigt war.
Ein paar Monate später veröffentlichte Steinitz den ersten Band seines Buches "Modern Chess Instructor,"
das dann zu dem Auslöser nachfolgender Geschichte wurde.
In diesem Buch empfahl Steinitz ein paar neue „konservative" Varianten im Evans-Gambit und der Zweispringer-Verteidigung. Tschigorin veröffentliche seine grundsätzliche Abneigung zu den beiden Linien. Demzufolge erzürnte sich Steinitz und bestand darauf, dass seine Varianten korrekt seien.
Um die Richtigkeit herauszufinden, schlug Tschigorin vor ein match von 2 Partien abzuhalten unter der Bedingung, beide genannten Eröffnungen zu spielen.
Steinitz war stets ein mutiger Spieler und nahm die Herausforderung an.
Jedoch bestand ein gewisses Problem, da Tschigorin in Russland weilte, während Steinitz sich in den Vereinigten Staaten aufhielt.
Um beiden Kontrahenten eine lange und mühevolle Reise zu ersparen, entschied man, das match durch telegraphische Übermittlung zu spielen.
Hughes printing telegraph circa 1890.
Foto: telegraphlore.com
Es wurde eine Bedenkzeit von maximal 3 Tage je Zug festgelegt.
Steinitz spielte aus dem Manhattan Chess Club (New York)
Westlicher Raum um 1890
Foto: piedchessman.blogspot.com
und Tschigorin in dem Schachklub von St. Petersburg.
St. Petersburg 1890-1900
Bild: Alexanderpalace.org
Das Spiel begann im Herbst 1890 und endete im folgenden Jahr. Man begann im ersten Spiel mit dem Evans-Gambit, einer Eröffnung, in der Tschigorin ein Virtuose war, und diese Tatsache auch bewies, wobei er die Hauptlast der Partie trug und letztlich den ersten Sieg ohne zu grosse Mühe erringen konnte.
(2563945) Chigorin,Mikhail – Steinitz,William [C52]
cable match USA (1), 1890
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 4.b4 Lxb4 5.c3 La5 6.0–0 Df6 7.d4 Sh6 8.Lg5 Dd6 9.d5 Sd8 10.Da4 Lb6 11.Sa3 c6 12.Le2 Lc7 13.Sc4 Df8 14.d6 Lxd6 15.Sb6 Tb8 16.Dxa7 Se6 17.Lc1 Sg8 18.La3 c5 19.Tad1 Sf6 20.Lc4 Lc7 21.Sd5 Ld6 22.Sh4 Sxd5 23.Sf5 g6 24.Sxd6+ Dxd6 25.Lxd5 Dc7 26.Lxe6 fxe6 27.Lxc5 Ta8 28.Dxa8 Dxc5 29.Da4 Kd8 30.Td2 Kc7 31.Tb1 Td8 32.Tb5 Dc6 33.Db4 d6 34.a4 De8 35.Tb6 Df8 36.Da5 d5 37.exd5 Kb8 38.d6
1–0
Endstand:
Zum Nachspielen:
http://www.chessgames.com/perl/chessgame?gid=1036328
Die zweite Partie wurde mit der Zweispringer-Variante von Tschigorin als Führer der schwarzen Steine im „romantischen" Stil mit einem schönen Damenopfer gespielt und gewonnen.
Steinitz 0 – Tschigorin 1 Steinitz : weiss
Cable match 1890 Tschigorin : schwarz
1. e4 / e5 2. Sf3 / Sc6 3. Lc4 / Sf6 4. Sg5 / d5 5. exd5 / Sa5 6. Lb5+ / c6
7. dxc6 / bxc6 8. Le2 / h6 9. Sh3 / Lc5 10. d3 / 0-0 11. Sc3 / Sd5 12. Sa4 / Ld6
13. Sg1 / f5 14. c3 / Ld7 15. d4 / e4 16. c4 / Se7 17. Sc3 / Le6 18. b3 / Lb4
19. Lb2 / f4 20. Dc2 / Dxd4 21. Kf1 / f3 22. gxf3 / exf3 23. Lxf3 / Lf5
24. Se4 / Lxe4 25. De2
/ Lxf3 26. De6+ / Kh7 27. Lxd4 / Lxh1 28. Dh3 / Sf5
29. Le5 / Tae8 30. Lf4 / Sd4 31. Dd3+ / Le4 32. Dxd4 / Txf4 33. f3 / Tef8
34. Dxa7 / c5 35. Dc7 / Sc6 36. a3
/ Txf3+ 37. Sxf3 / Txf3+ 38. Kg1 / Ld2
39. aufgegeben von Steinitz.
Zum Nachspielen:
1. Steinitz vs Chigorin 0-1 38 1890 Cable Match C59 Two Knights
Es war nicht nur ein Duell, sondern es ging um die Entscheidung, wer Recht hatte; es war ein Kampf zwischen gegensetzlichen Sichtweisen im Schach. Steinitz, ein Verfechter des Stellungsspieles mit nicht zu vielen Risiken, immer auf der Suche, das Zentrum zu beherrschen und durch die Anhäufung von kleinen Vorteilen zu gewinnen.
Gemalt von Elke Rehder
Tschigorin war ein rein romantischer Spieler mit kreativem Stil, und er versuchte vom ersten Zug an, den gegnerischen König anzugreifen, unabhänig von den Figuren, die dabei auf der Strecke blieben.
Gemalt von Elke Rehder
Diese Partien wurden weltweit bekann und liessen Dr. Emanuel Lasker erklären: "Die Partien per Telegraf verursachten einen tiefen Eindruck auf mich. Steinitz so zu schlagen, erscheint unglaublich."
Im Verlauf des Spiels kam es zu einem Zwischenfall, der schwerwiegende Folgen für Steinitz hätte haben können. Die New Yorker Polizei untersuchte die eingehenden Nachrichten aus dem fernen Russland und fanden Begriffe und Zeichen, von denen sie nicht wusste, dass es sich um Notierungen von Schachpartien handelte. Vielmehr vermuteten sie einen „cleveren" Geheimcode eines eingesetzten russischen Spiones und verhafteten Steinitz.
Zum Glück wurde nach ein paar Stunden alles aufgeklärt und der österreichische Landsmann wieder freigelassen.
Dies mag recht seltsam erscheinen, kam doch recht häufig während des Kalten Krieges vor, weil seinerseits viel Fernschach per Post gespielt wurde, und die Geheimdienste annahmen, dass es sich um verschlüsselte Nachrichten handelte. Einige ähnliche Fälle ereigneten sich noch in der heutigen Zeit, wenn die Mitarbeiter der Geheimdienste eines Landes die Art der Schachnotationen nicht erkannnten.
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Sitges (Barcelona), im August 2012
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