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Bamberger Verleger und Schach-Legende Lothar Schmid stirbt mit 85 Jahren
Von Hartmut Metz
Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah. Den ellenlangen Namen des Helden aus „Durchs wilde Kurdistan" kannte Lothar Schmid mindestens so gut wie einst Karl May (1825-1912). Der Verleger in dritter Generation betete den Namen des Freundes von Kara Ben Nemsi auch im hohen Alter noch problemlos herunter. Früher hatte der Bamberger die neun Worte hinter Hadschi Halef Omar vor mancher Partie memoriert, um sein Gehirn auf Trab zu bringen. Am vergangenen Samstag starb die Schach-Legende acht Tage nach seinem 85. Geburtstag.
Lothar Schmid errang als einer der wenigen Spieler den Großmeister-Titel im Turnier- als auch im per Post gespielten Fernschach. Doch nicht allein deswegen gilt der „schöne Lothar" als eine der schillerndsten Figuren der Schach-Geschichte. Der 278fache deutsche Nationalspieler wurde vom Weltverband FIDE zum „Schiedsrichter des Jahrhunderts" gekürt. Immer wenn es schwierig wurde, vermittelte der Jurist auf den 64 Feldern. Bei den Weltmeisterschaften 1978 zwischen dem in die Schweiz emigrierten Viktor Kortschnoi und dem Sowjet Anatoli Karpow beruhigte Schmid ebenso die Gemüter wie 1986, als zwischen Karpow und Garri Kasparow die Fetzen flogen.
Legendär bleibt jedoch sein Einsatz 1972 in Reykjavik. Ohne den Fernschach-Vizeweltmeister wäre das „Match des Jahrhunderts" in Island zwischen Bobby Fischer und Boris Spasski geplatzt. Als der Amerikaner nach der kampflos verlorenen zweiten Partie wieder Mätzchen machte, wurde Schmid rigoros: „Ich packte die beiden Kampfhähne, die etwas größer als ich waren, bei den Schultern und drückte sie in ihre Sessel. Dann befahl ich: ,Spielt jetzt!' Spasski machte daraufhin automatisch den ersten Zug. Nach diesem schwersten Augenblick war das Match gerettet", erinnerte sich der Referee an die dritte Partie, ab der Fischer das Geschehen in die Hand nahm.
Mehr als 150 Bücher widmeten sich dem populärsten Schach-Duell aller Zeiten – Schmid hatte sie zu Hause alle. Und noch viel mehr. Mit „vermutlich mehr als 50.000 Büchern" stellte seine Bibliothek die größte private Schach-Sammlung auf dem Globus dar. Doch auch hier regierte Schmids Maxime: „Qualität geht vor Quantität." Als es galt, „den Eckstein aller Schachbücher" – das erste Lehrwerk, den 1497 in Spanien erschienenen Lucena – zu erwerben, überlegte er „lange, lange", ehe sich der Büchernarr das „teure Vergnügen" doch leistete.
Seinen Nachlass hatte der zuletzt zurückgezogen lebende Verleger schon vor zwei Jahrzehnten geregelt. Nachdem er die Geschicke an seinen Sohn Bernhard übergeben hatte, fungierte der gebürtige Radebeuler noch lange als „Berater" des seit exakt 100 Jahren monothematisch orientierten Verlages. Ganz konnte Schmid nie von Karl May lassen, der seit der Gründung 1913 als Alleinautor der Bamberger dient. Deshalb faszinierte ihn der in mehr als 40 Sprachen übersetzte Abenteuer-Romancier besonders: „Mit mehr als 200 Millionen verkauften Büchern zählt der Schöpfer von Winnetou zu den meist gelesenen Autoren aller Zeiten", betonte der Großmeister gerne, der nun Karl May und Bobby Fischer in die „ewigen Jagdgründe" folgte.
Schmid hatte viele große Skalps an seinem Gürtel hängen. In dieser Schachspalte wurden bereits sehenswerte Siege von ihm über Weltmeister Michail Botwinnik oder Efim Bogoljubow vorgestellt. Nachstehend der kurzweiligste bei der Olympiade 1968 in Lugano, als Deutschland in der Vorrunde auf Hongkong traf. Schmid schlug Glen Gibbs in nur neun Zügen!
W: Gibbs S: Schmid
1.e4 Sf6 2.Sc3 d5 3.exd5 Sxd5 4.Sge2 Sc6 5.g3? Ein schwacher Zug, der das Feld f3 vernachlässigt. Lg4 6.Lg2 Sd4! Trickreich gespielt, auch wenn es der stärkste Zug ist. 7.Lxd5?? Gibbs unterschätzt das Können des Großmeisters – ansonsten hätte er sicher Lunte gerochen. Dxd5!! Erst jetzt geht Weiß ein Licht auf. 8.f3 8.Sxd5 erlaubt ein hübsches Finale: Sf3+ 9.Kf1 Lh3 matt. Dxf3 Sxf3+ gewinnt ebenso: 9.Kf2 Df5 10.h3 Sxd2+ 11.Ke1 Sf3+ 12.Kf2 Sg5+ 13.Lf4 Sxh3+ 14.Kg2 g5. 9.Tf1 Dg2 Gibbs gab auf wegen 10.d3 Sf3+ 11.Txf3 Dxf3 und Schwarz verfügt über zu großen materiellen Vorteil. 0:1.
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