Diese Nachricht wurde Ihnen von boesian über Google Reader gesendet.
Er bleibt eine deutsche Schachlegende – zum Tode von Lothar Schmid [10. Mai 1928 bis 18. Mai 2013]
Foto: von links nach rechts sitzend: Raymund Stolze, GM Burkhard Malich, GM Lothar Schmid und GM Wolfgang Uhlmann auf dem Legendentreffen in Dresden – Copyright: Dr. Gabriele Stolze
Noch vor wenigen Tagen hatte mein Kollege Dagobert Kohlmeyer aus Anlass des 85. Geburtstages von Lothar Schmid bei ChessBase eine sehr persönliche Laudatio auf eine der bedeutenden deutschen Schachlegenden geschrieben [http://www.chessbase.de/Home/TabId/176/PostId/4009773/lothar-schmid-feiert-jubilum-100513.aspx].
Wer zwischen den Zeilen lesen konnte, der wusste, dass es dem Jubilar seit einiger Zeit gesundheitlich nicht gut ging und er seinen Geburtstag deshalb in aller Stille im engsten Familienkreis beging. Aber dass der Großmeister und Karl-May-Verleger nur acht Tage später einer schweren Krankheit erlegen sein würde, daran hätten wohl selbst seine Freunde nicht zu denken gewagt.
Das Leben ist ein Schachspiel mit dem Tod, so lautet die Botschaft des Spielfilms „Das siebente Siegel" von dem großen schwedischen Regisseur Ingmar Bergman.
Wenn man so will, hat Lothar Schmid, der im sächsischen Radebeul bei Dresden geboren wurde und dort seine Kindheits-und Jugendjahre verlebte, bis ihn die Irren und Wirren des Zweiten Weltkrieges 1947 mit nach Bamberg verschlugen, wo sein Vater den Karl-May-Verlag weiter führte, den dann die Söhne übernehmen mussten, eine „Seeschlange" spielen dürfen. Und dabei sportlich Herausragendes geleistet.
„Die Liste der Schacherfolge von Lothar Schmid besticht vor allem durch ihre Vielfalt. Zweimal gewann er mit der deutschen Nationalmannschaft auf Schacholympiaden die Bronzemedaille (1950 in Dubrovnik und 1964 in Tel Aviv). Er trug den Großmeistertitel im Turnierschach und im Fernschach. Als Turnierspieler trug er Wesentliches zur Entwicklung und Verbreitung der Ben-Oni-Verteidigung bei. Herausragend ist Schmids Sieg im Dr. Dyckhoff-Fernschach-Gedenkturnier (1954-1956) mit 14 Punkten aus 15 Partien.
An der Durchführung des Weltmeisterschaftskampfes 1972 in Reykjavik zwischen Bobby Fischer und Boris Spasski hatte Lothar Schmid mit seinem diplomatischen Geschick entscheidenden Anteil, weshalb man ihm 2005 den Titel „Schiedsrichter des Jahrhunderts" verlieh. Er hatte das Kandidatenfinale zwischen Fischer und Petrosjan (Buenos Aires 1971) sowie die Wettkämpfe zwischen Karpow und Kortschnoj (Baguio City, 1978), zwischen Karpow und Kasparow (London/Leningrad, 1986) und das Revanchematch zwischen Fischer und Spasski (Cveti Stefan/Belgrad, 1992) geleitet", so DSB-Präsident Herbert Bastian über das Ehrenmitglied des Deutschen Schachbundes [http://www.schachbund.de/entry/668#body-anchor].
Was für mich immer in Erinnerung von diesem gütigen und weisen Mann bleiben wird, sind zumindest vier Begegnungen.
Die eine fand am Vorabend der Widervereinigung der beiden deutschen Schachverbände am 28. September 1990 im berühmten Auerbachs-Keller in Leipzig statt. Lothar Schmid war an unserem Tisch in diesem Abend natürlich der Mittelpunkt, aber voller Charme und Witz in seinen Erzählungen. Ich habe es noch vor meinem Augen, wie die sieben Jahre ältere Edith Keller-Herrmann (17.11. 1921 – 12.10. 2010), auf einmal wieder in ihre Jugendjahre in Dresden tauchte und Erinnerungen dabei sich in ihrem Gesicht spiegelten…
Das zweite Treffen fand Mitte der 1990er-Jahre auf der Frankfurter Buchmesse statt, wo der Karl-May-Verleger natürlich präsent sein musste, der bis 2007 die Geschäfte des Unternehmens führte, dem er sich verpflichtet fühlte. Dass er dadurch nicht Schachprofi werden konnte, hat ihn eigentlich niemals bedrückt, denn seine Sammlerleidenschaft dürft4 ihn mehr als entschädigt haben. Mit ca. 50.000 Titeln hatte er die weltweit bedeutendste private Sammlung von Schachpublikationen im Läufe der Zeit zusammengetragen. Und natürlich war er über das Original des Werkes von Lucena von 1497, das er in Brasilien bei einer Versteigerung erwarb, besonders stolz.
Vor nicht all zu langer Zeit war Lothar Schmid Gast der Lasker-Gesellschaft. Und natürlich stand da vor allem sein freundschaftlich väterliches Verhältnis zu Robert James Fischer im Mittelpunkt des anregenden Gespräches.
Schließlich erinnere ich mich an drei Tage im August 2012 in Dresden. Er gehörte zum illustren Kreise des Treffens von lebenden Schachlegenden, die zwei Voraussetzungen für die Teilnahme mitbringen mussten: Mindestalter 75 und den Großmeistertitel.
Bei einer Stadtrundfahrt sind wir auch durch Radebeul gefahren, und ich habe dabei Lothar genau beobachtet, wie er wohl eher wehmütig und für immer Abschied von der Kindheit genommen hat, als wir an seinem einstigen Wohnhaus vorbei fuhren.
Und natürlich werde ich seinen trockenen Humor nicht vergessen. Einer der Höhepunkte war ein Simultan Deutschland auf dem historischen Platz vor der Dresdener Frauenkirche. Das russische Team mit Juri Awerbach, Mark Taimanow und Jewgeni Wasjukow eröffnete 1.e4, die deutsche Mannschaft mit Lothar Schmid, Wolfgang Uhlmann und Burghard Malich antwortete 1.e6. Es folgte 2.d4 d5 3.Sd2, und als dann Uhlmann a Tempo 3…c5 zog, da meinte Lothar Schmid, der sich 1982 von Wettkampfschach zurück gezogen hatte, sehr bestimmt aber ebenso hintersinnig: „Von nun an kannst Du allein weiter spielen…"
Ich bin sicher, dass in diesem Jahr im August beim zweiten Legendentreffen in Elbflorenz Lothar Schmid ganz bestimmt vermisst wird…
Raymund Stolze
Im Haus der Geschichte am 21. Januar 2007 in Bonn
Ein Bericht von Gerhard Hund
Optionen:
- Abonnieren von SCHACH - TICKER mit Google Reader
- Erste Schritte mit Google Reader – Immer informiert über die für Sie wichtigsten Websites
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen