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GM Andor Lilienthal 1992
Foto: chessbase.de
von ÖMK Dr. Paul Meyer, Österreich
ergänzt und illustriert von Frank Mayer
GM Andor Arnoldovich Lilienthal hat gegen zehn Schach-Weltmeister gespielt und die Hälfte (!) davon geschlagen.
Von seinen Siegen gegen die Legenden Dr. Emanuel Lasker, José Raúl Capablanca, Dr. Alexander Aljechin und Vera Menchik berichtete der Ungar besonders gern.
Aber auch Dr. Mikhail Botwinnik und Wassily Smyslow mussten ihm die Hand zur Aufgabe reichen.
Am 05.05 2010 feierte der Budapester noch seinen 99. Geburtstag – drei Tage später – am 08.05.2010 – starb er.
Foto: gde-pohoronit.rugde.porohonit.ru
Dies geschah während der laufenden Schach-WM zwischen Viswanathan Anand und Wesselin Topalow in Sofia, wo man den unterhaltsamen Grandseigneur mit einer Gedenkminute würdigte.
Andor Lilienthal kam als Sohn einer ungarischen Sängerin und eines russischen Elektroingenieurs am 05.05.1911 in Moskau zur Welt. Seine Mutter hatte auf einer Moskauer Bühne zu dieser Zeit gerade ein Engagement als Sängerin. Sie kehrte mit ihren drei Kindern im Jahre 1913 nach Budapest zurück, der Vater blieb in Russland. Weil die Mutter krankheitsbedingt ihre Stimme verlor, verarmte die Familie und wuchs der junge Andor in einem Kinderheim bei staatlicher Pflege auf.
Er absolvierte eine Schneiderlehre, fand jedoch keine Anstellung. So erlernte er als 15- jähriger ausgebildeter Schneider das Schachspiel
Foto: chessbase.de
und trieb sich in diversen Budapester Cafés herum, wo er um Geld zockte. Mit den Gewinnen bei Schach- Duellen hielt er sich über Wasser und machte zunehmend von sich Reden.
In Paris 1930 erhielt er eine erste Einladung zu einem internationalen Turnier und schlug sich mit 4:3 Punkten als geteilter Vierter achtbar.
Siehe Tabelle:
Paris 1930
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Rasch stieg Lilienthal zu einem der stärksten Spieler auf der Welt und rangierte sogar gemäß der historischen Weltrangliste im Jahre 1934 auf dem sechsten (!) Platz, wobei seine historisch höchste ELO- Zahl 2710 betrug.
Im Jahre 1935 lernte er während des Moskauer Turniers seine künftige Frau Jewgenija kennen, heiratete sie und ließ sich in Moskau nieder. Er nahm sogar die sowjetische Staatsbürgerschaft an.
Seit 1937 nahm er an den Landesmeisterschaften der UdSSR teil, wurde 1938 quasi außer Konkurrenz Meister von Weißrussland, gewann 1940 die Moskauer Stadtmeisterschaft und teilte im selben Jahr sogar den ersten Platz bei der UdSSR- Meisterschaft (!) mit Igor Bondarevsky, gefolgt von dem späteren Weltmeister Smyslow.
Moscow, 12th USSR Championship 1940
Nach dem Zweiten Weltkrieg machte sich Lilienthal auf der internationalen Schachbühne rarer, ließ jedoch 1948 mit seinem 5. Rang beim Interzonenturnier in Saltsjöbaden aufhorchen, wo er sich für das Kandidatenturnier in Budapest 1950 qualifizierte und dort den 8. Platz belegte.
Budapest Candidates 1950
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Im selben Jahr erhielt der von der FIDE auf Grund seiner internationalen Erfolge als einer der ersten Spieler den Titel Großmeisters verliehen.
In der Folgezeit tat er sich vor allem als Trainer des späteren Weltmeisters Dr. Tigran Petrosjan hervor.
Foto: myschach.de
Nach dem Tod seiner Frau im Jahre 1976 kehrte der mittlerweile 65-Jährige in seine Heimat Ungarn zurück.
Wie schon 1935, als sich Lasker in Moskau aufhielt, half er auch Bobby Fischer im Jahre 1992 bei seinem Aufenthalt in Budapest.
Foto: ipc.digital.com
Das US-Genie, das Lilienthal für den stärksten Spieler aller Zeiten hielt, lebte auch einen Monat in seiner Wohnung.
Als 2001 in Berlin in Deutschland die Lasker- Gesellschaft gegründet wurde, war Andor Lilienthal als ältester noch lebender Großmeister der Welt ein gern gesehener Gast, der noch eigene Geschichten aus alter Zeit zu berichten wusste.
An seinem 85. Geburtstag erhielt er auf Grund seiner Verdienste um den Schachsport von FIDE- Präsident Kirsan Iljumschinow eine monatliche Pension in Höhe von 750 US-Dollar auf Lebenszeit zugesprochen. Damit konnte der Ungar in seinen letzten Jahrzehnten seinen Status als "lebende Schachlegende" voll auskosten, was ihn mit manchen Widrigkeiten zuvor versöhnt haben mag.
Foto: chessbase.de
Unvergessen waren seine spektakulären Damenopfer. Wahrscheinlich existiert hier sogar so etwas wie eine seltene Duplizität der Fälle, wovon ich kurz berichten will: Als Einziger der beim Revanchekampf Fischer- Spasski im Jahre 1992 im Analyseraum versammelten Schachmeister fand Lilienthal ein verblüffendes (im Übrigen korrektes) Damenopfer. Für die Youngsters unter uns sei an dieser Stelle festgestellt, dass es zur damaligen Zeit keine Computer-Unterstützung gegeben hat und noch jeder Spieler seine Züge selber finden musste!
Auch wenn es klischeehaft klingt: Lilienthal dürfte eine echte Schwäche im Spiel mit der Schachdame gehabt haben, denn sein toller "exf6!!- Sieg" – also das sensationelle Damenopfer gegen Capablanca – bleibt wohl unsterblich….
Nachstehend die entsprechende Partie kommentiert
von Mikhail Botvinnik
Lilienthal, Andor – Capablanca, Jose Raúl [E24]
Hastings(5), 01.01.1935
1. d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 4.a3 Lxc3+ 5.bxc3 b6 6.f3 d5 7.Lg5 h6 8.Lh4 La6!? Solider ist 8…..Lb7
9. e4 Lxc4 10.Lxc4 dxc4 11.Da4+ Dd7 12.Dxc4 Dc6 13.Dd3 Sbd7 14.Se2 Td8 15.0–0 a5 Schwarz denkt wohl an a5-a4 und Eroberung des Felpes "b3" für seinen Springer.
16. Dc2 mit der Absicht 17. c4, was jetzt noch an Se5 gescheitert wäre.
…..Dc4! 17.f4 Tc8 18. f5! e5? Gerade das wollte Weiss provozieren.
19. dxe5 Dxe4:
Da 19….Se5: wegen 20. Lf6: und 21. Sf4 indiskutabel ist, hatte sich
Schwarz auf den Textzug verlassen, aber……
Diagramm
20. exf6!! Das ist kein Donnerschlag mehr, sondern ein regelrechtes Erdbeben!
Dxc2: auch die Alternative 20….Dh4: 21 fg und Tf4 ist hoffnungslos.
21. fxg7 Tg8 22.Sd4 De4 angesichts der Mattdrohung erzwungen.
23.Tae1 Sc5 24.Txe4+ Sxe4 25.Te1 Txg7 26.Txe4+ 1-0
Diagramm
Endstellung
Zum Nachspielen:
1. Lilienthal vs Capablanca 1-0 26 1935 Hastings E24 Nimzo-Indian, Samisch
Das Teilnehmerfeld:
Copyright The IllustratedLondonNews 1935
Quelle: Schachklub Volksbank Lienz-Österreich
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Sitges (Barcelona), im April 2012
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