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Vor 175 Jahren geborener Amerikaner verzückte Europäer
Paul Morphy gilt nicht nur als erstes Wunderkind im Schach – mancher Experte hält den vor 175 Jahren geborenen New Orleaner auch bis heute für den genialsten Schachspieler aller Zeiten. Dafür spricht, dass seine historische Weltranglisten-Zahl von 2 824 Elo (unter Berücksichtigung der späteren Inflation) ihn weit vor alle anderen stellt. Doch unabhängig von dieser Spekulation ist sicher: Der am 22. Juni 1837 geborene Amerikaner stieg wie sein amerikanischer Landsmann Bobby Fischer (1943-2008) rasch auf am Schach-Firmament, leuchtete hell – und verglühte tragisch als gebrochener Mann.
Mit zehn Jahren erlernte Morphy das königliche Spiel. Mit zwölf bezwang das Kind bereits den auf Gastspielreise befindlichen ungarischen Meister Johann Jakob Löwenthal mit 1,5:0,5, obwohl ihm sein Vater nur das Spiel nach der sonntäglichen Bibelstunde erlaubte! Beim ersten großen Wettkampf, dem Amerikanischen Schachkongress 1857 in New York, deklassierte der 20-Jährige den berühmten Louis Paulsen im Finale mit 6:2. Weil er in Louisiana noch nicht als volljährig galt, durfte Morphy trotz seines in Rekordzeit abgeschlossenen Jura-Studiums kein Amt als Advokat antreten. So brach der Jurist nach Europa auf, um sich zunächst in England mit den Stärksten zu messen. Der führende Meister und Theoretiker, Howard Staunton, wich dem Kräftemessen 1858 aus. Mehr Mut bewiesen Thomas Wilson
Barnes, Löwenthal und Henry Bird. Die Sensation aus den Kolonien, die die Laien mit Blindpartien ohne Ansicht des Brettes verzückte, ließ dem Trio keine Chance. Löwenthal schlug sich beim 4:10 noch am achtbarsten. Anschließend zog Morphy weiter nach Paris, um Daniel Harrwitz und vor allem Adolf Anderssen mit 8:3 niederzuhalten. Der Breslauer galt seit seinem Sieg beim ersten großen Schachturnier 1851 als weltbester Spieler. „Wer mit Morphy spielt, lasse jede Hoffnung schwinden, dass derselbe in irgendeine noch so fein angelegte Schlinge gehen werde", schrieb Anderssen nach seiner Schlappe bewundernd (Fortsetzung am nächsten Samstag).
Eine brillante Partie gelang Morphy 1858 in London gegen Bird.
W: Bird S: Morphy
1.e4 e5 2.Sf3 d6 3.d4 f5?! Ein typischer Zug für die romantische Phase des Schachspiels, während der Angriff alles war. Heutzutage würde kein Großmeister mehr so offen spielen. 4.Sc3?! 4.exf5 e4 5.Sg5 Lxf5 6.Sc3 Sf6 7.f3! De7 8.fxe4 h6 9.Le2 Lg6 10.Sf3 Sxe4 11.Sd5 Df7 12.Sf4+- bringt Schwarz schon gehörig in die Bredouille und ist im höheren Sinne bereits verloren. 12.Se3 Sf6 13.0–0 Sc6 14.d5 Se7 15.c4 überzeugt ebenfalls. fxe4 5.Sxe4 d5?! Sf6 6.Sxf6+ gxf6 ist solider. 6.Sg3?! 6.Sxe5 dxe4 7.Dh5+ g6 (Ke7? 8.Df7+ Kd6 9.Sc4+ Kc6 10.Sa5+ Kb6 (Kd6 11.Lf4 matt) 11.Db3+ Kxa5 12.Db5 matt) 8.Sxg6 Sf6 9.De5+ Kf7 10.Sxh8+ Kg8 11.Lg5 Lg7 12.Lxf6 Lxf6 13.Dxe4 Kxh8 14.0–0–0 Sc6 15.c3 und Weiß steht auf Gewinn. e4 7.Se5 Sf6 8.Lg5 Ld6 9.Sh5?! Spätestens jetzt darf der Nachziehende mit seiner Position zufrieden sein. In der Entwicklung liegt Schwarz nicht mehr zurück und verfügt über ein starkes Zentrum. 9.Dd2 0–0 10.0–0–0 führt zum Ausgleich. 0–0 10.Dd2 De8! 11.g4? 11.Lxf6! geht noch mit knapper Not: Dxh5 12.Le2 Df5 13.Lh4 c5 14.Lg4 e3! 15.fxe3 De4 16.Lxc8 Txc8 17.Sf3 cxd4 18.0–0–0 Sc6 19.a3. Sxg4 Lxe5! ist noch stärker. 12.dxe5 Sxg4 13.Dxd5+ Le6 14.Dxb7 Dxh5 15.Dxa8 Dxg5 und Weiß kann aufgeben. 12.Sxg4 Dxh5 13.Se5 Sc6 14.Le2 Dh3 15.Sxc6 bxc6 16.Le3 Tb8 17.0–0–0 Morphy leitet nun eine der bezauberndsten Überführungen der Schach-Geschichte ein. Txf2!! Le6 mag korrekter sein – im Vergleich zu dem Turmopfer entbehrt dieser unspektakuläre Zug aber jeder Ästhetik. 18.Lxf2 Bird muss den Turm nehmen. Da3!! Die Dame schwingt beschwingt auf den Damenflügel, um der feindlichen Majestät auf den Leib zu rücken. 19.c3 19.bxa3 verbietet sich natürlich wegen des sofortigen Matts durch Lxa3. Dxa2 20.b4 20.Dc2 Lf4+ (Txb2 21.Dxb2 La3 reicht genauso) 21.Td2 e3 22.Lxe3 Lxe3 23.Ld3 Lxd2+ 24.Kxd2 Txb2 mit Gewinnstellung. Da1+ 21.Kc2 Da4+ 22.Kb2? 22.Kc1 leistet mehr Widerstand. Lf5! 23.Le1! (23.Le3? Lxb4! 24.cxb4 Txb4 25.Dc2 Da3+ 26.Kd2 Tb2 27.Dxb2 – 27.Tc1 erweist sich als schlechter: c5! 28.dxc5 d4 29.Lxd4 e3+ 30.Lxe3 Lxc2 – 27…Dxb2+ 28.Ke1 Da3 29.Kf2 sollte für Schwarz etwas besser sein angesichts der Dame und fünf Bauern für zwei Türme und Läufer) e3! 24.Db2 a5! 25.Tf1 Le4 26.Ld3 axb4 27.Lxe4 dxe4 28.Tf5 (28.c4 e2) Ta8 29.cxb4 e2 30.Td2 Da1+ 31.Dxa1 Txa1+ 32.Kb2 Txe1 und gegen die Umwandlung des e-Bauern in eine Dame gibt es kein probates Mittel mehr. Lxb4 23.cxb4 Txb4+ 24.Dxb4 Dxb4+ 25.Kc2 25.Ka2 Lf5 26.Le1 Da4+ 27.Kb2 e3 28.Tc1 Dxd4+ 29.Ka3 c5 30.Lc3 De4 31.Thd1 d4 und die Bauernmasse marschiert. e3! 26.Lxe3 Lf5+ 27.Td3 27.Ld3 Dc4+ 28.Kb2 Lxd3. Dc4+ 28.Kd2 Da2+ 29.Kd1 Oder 29.Ke1 Lxd3 30.Lxd3 Da1+ 31.Kf2 Dxh1. Db1+ Bird gab auf wegen 30.Kd2 Dxh1. 0:1.
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