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Zhanna Tal
(Photo by D. Kienka, "Telegraph" archive)
Frei übersetzt und zusammengefasst von Frank Mayer
Vorspann:
Am 9. November 2006 – dem 70. Geburtstag von Mikhail Tal
konnte die Riga-Zeitung "Telegraph" ein Interview mit der Tochter des 8. Schachweltmeisters Mikhail Tal ermöglichen, in dem sie ihre heutiges Leben in Deutschland schildert. Ausserdem ist sie beteiligt an den Memoiren ihres Vaters, dem so verblüffend ähnlich sieht.
Das Interview:
Was überwog bei Ihnen: der Stolz auf Ihren Vater oder die Unanehmlichkeiten wegen seiner Popularität?
"Selbstverständlich war ich immer stolz auf ihn, aber die Schwierigkeiten waren grösser.
Ich erinnere mich, als ich in der 1. Schulklasse war, bat der Direktor des Institutes meine Mutter zu einer aussprache, weil sich ein Mädchen aus unserer Klasse bei der Lehrerin beschwert hatte, dass sie 7 TV-Sendungen gesehen habe, wo wir uns bei einer Szene im Badezimmer aufhielten!
Selbstverständlich wurden wir getadelt für die in der damaligen Sowjetunion herrschenden spiesserischen Ansichten……..
Als ich später in die Musikhochschule kam, behaupteten die
Mitschüler, dass ich besonders gute Noten bekäme und Konzerte geben dürfe, weil mein Vater so berühmt sei.
Dass ich für die guten Leistungen täglich zwischen 5 und 6 Stunden arbeitete und mir nichts geschenkt wurde, kam niemandem in den Sinn.
Anderseits muss ich zugeben, dass ich ständig einem öffentlichen Druck ausgesetzt war, weil man immer davon ausging, dass ich bei solch einem Vater dieselben Höchstleistungen bringen müsste.
Das ist besonders schwer zu verstehen, wenn man noch ein Kind ist."
Angelina, Zhanna und Mikhail Tal
Kam es vor, dass Ihr Vater bei besonderen Anlässen in der Schule als Ehrengast erschien?
"Sehr selten. In all meinen Schuljahren war er dort nur zweimal zu Besuch.
Einmal musste er eine Simultanvorstellung geben und das andere Mal einen Vortrag halten."
Wie kam es, dass sie nach dem Schulabschluss eine Art von Goldmedaille erhielten?
"Da ich wirklich gute und sogar rekordverdächtige Noten für die Promotion erzielte, wurde ich dafür belohnt.
Es war mir sogar möglich, bei Schulstunden zu fehlen, um meiner Arbeit und meinen Aufgaben an der Musikhochschule nachzukommen, und trotzdem sehr gute Klassenarbeiten schrieb.
Ansonsten fiel es mir verhältnismässig leicht, in wesentlich kürzerer Zeit als vorgeschrieben, die verschiedenen Prüfungen mit guten Noten zu bestehen."
Haben Sie jemals versucht, als Lehrkraft in einer Schule in Riga eine Anstellung zu bekommen?
"Nein, da wir früher wegzogen."
Beide "Gegner" träumen von einem Sieg mit den weissen Steinen.
Die Vorlieben des Kindes hängen oft von den Eltern ab.
Wir möchten gern mehr über Ihre verschiedenen Neigungen zur Literatur, Kunst und Musik erfahren.
Haben Sie etwas gemeinsam mit den Vorzügen Ihres Vaters?
"Neben den Schulbüchern, die wohl für alle Kinder gleich sind, habe ich mich in die Bücher vertieft, die mein Vater vorher gelesen hatte und in einem Bücherregal über dem Sofa eingereiht waren.
Wenn er nach mehrmonatiger Abwesenheit wieder nach Hause kam, mussten eine Freundin und ich zur Post gehen, um jeweils einen Riesenstapel von Zeitungen abzuholen, die über Vaters Schachturniere und Partien berichtet hatten.
Mein Vater interessierte sich eigentlich nicht unbedingt für Kunst.
Dahingegen hatte ich eine Vorliebe für Maler wie Magritte und Turner entwickelt, die durch Besuche bei Ausstellungen in Düsseldorf gefördert wurden.
Bezüglich der bevorzugten Musiker, teilten mein Vater und ich die Gemeinsamkeit für Rachmaninov und Chopin.
Nach und nach kamen dann noch die romantischen Musiker wie
Tschaikovsky, Scriabin und Schumann hinzu."
Wir erlauben uns noch, Sie nach Ihren bevorzugten Farben zu fragen.
"Da habe ich in meinem Geschmack oft gewechselt. Einmal waren es Pastellfarben und dann mal wieder stark-leuchtende Farben.
Nun noch einen weiteren Kommentar zu meinem Vater.
Es war geradezu unangnehm für ihn, in der Öffentlichkeit erkannt und belästigt zu werden. Deswegen gingen wir auch kaum mal in einem Restaurant essen, auch wegen der sich gebildeten Warteschlangen und sich vordrängen, widerstrebte ihm besonders."
Die glücklichen Stunden zu Hause, wenn Vater da war.
Um den geneigten Leser nur mit den wichtigen Punkten des recht umfangreichen Interviews zu erfreuen, geben wir noch drei weitere Fragen des Zeitungsreporters und die entsprechenden
Antworten von Zhanna wieder:
Warum möchten Sie wieder zuück nach Lettland?
"Das ist mein Heimatland. Dort waren meine besten Jahres in Verbindung mit meinem Vater.
Bitte, noch ein paar Worte zu Ihrem Leben in Deutschland.
Warum versuchen Sie nicht, sich zu aklimatisieren?
"Das hat mit den täglichen Problemen zu tun und der Tatsache, dass es sehr schwierig ist, einen geeigneten Freundeskreis zu finden.
Die engsten Freunde, mit denen wir Kontakt haben, leben in Riga und sind nicht hier.
Die Deutschen haben eine andere Mentalität.
Man fängt an, sie zu verstehen, wenn man länger hier lebt.
Sie haben aber eine unterschiedliche Werteauffassung und die hauptsächliche ist:
"My home is my castle".
Und eine neuer Bekanntenkreis ist noch nicht gebildet…..?
"Etwas begann in den letzten zwei oder drei Jahren. Selbstverständlich hat meine Mutter neue Bekanntschaften während ihres hiesigen Aufenthaltes gemacht.
Trotz allem darf ich nochmals betonen, dass die wirklichen Freunde in Riga geblieben sind."
Ende des Interviews.
Auszug aus dem Kommentar des Journalisten A. Kentler:
Das pompös gestaltete Tal-Erinnerungsturnier wird uns allen noch lange in Erinnerung bleiben.
Allerdings luden die Organisatoren des russischen Schachverbandes Zhanna Tal nicht ein, um an der Feier zu Ehren ihres Vaters teilzunehmen.
Gott möge ihr Richter sein!
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Alle Privatbilder aus dem Archiv der Familie Tal.
Sitges (Barcelona), im Juli 2012
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