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Schachgenie Paul Morphy glänzt während „Barbier von Sevilla"
Von Hartmut Metz
Der vor 175 Jahren geborene Paul Morphy begeistert bis heute die Fans (Fortsetzung der Schachspalte aus der Vorwoche). Das war auf seiner Tournee in Europa nicht anders, als der Amerikaner 1858 und 1859 in London und Paris die stärksten Spieler wie Adolf Anderssen düpierte. Eine seiner berühmtesten Partien gelang dem am 22. Juni 1837 in New Orleans geborenen Morphy nebenbei in der Oper, während der Aufführung von „Der Barbier von Sevilla"!
Dabei ist nicht überliefert, ob das Stück in Paris so langweilig war – oder Karl von Braunschweig und Graf Isouard de Vauvenargue ihren Gegner für das eigentliche Schauspiel an diesem Opernabend hielten … Wie auch immer: Die Hochzeit am Ende des Rossini-Stücks dürften die Logen-Besitzer wieder gesehen haben, setzte Morphy doch die gemeinsam spielenden Adeligen kurzerhand in 17 Zügen matt (siehe Partie).
Nach seiner Rückkehr in die Staaten feierten rund 2000 Schachanhänger in der Aula der New Yorker Universität den unbezwingbaren 21-Jährigen. Doch der Erfolg wurde auch sein Fluch: Der nun Volljährige wollte als Anwalt arbeiten – indes sahen ihn alle nur als das große Schachgenie an, obwohl Morphy sein Jura-Studium schneller als alle anderen absolviert hatte. Geradezu trotzig schien er jedoch an seiner Profession festzuhalten. Ähnlich wie bei seinem berühmten US-Nachfolger als herausragender Champion, Bobby Fischer (1943-2008), folgten Vereinsamung und gar Umnachtung. Geistesgestört starb Morphy mit nur 47 Jahren am 10. Juli 1884 dort, wo er geboren wurde, in New Orleans.
Hier die Konsultationspartie in der Pariser Oper zwischen Morphy und Karl von Braunschweig beziehungsweise Graf Isouard.
W: Morphy S: Beratende
1.e4 e5 2.Sf3 d6 3.d4 Lg4? „Heute weiß jedes Schulkind, dass diese Variante schlecht ist", tadelt Garri Kasparow den Zug in seinem Mehrbänder über die ehemaligen Weltmeister und Asse. 4.dxe5 Lxf3 5.Dxf3 dxe5 6.Lc4 Sf6? Zäher ist Df6 7.Db3 Lc5 (b6? 8.Sc3 Se7? 9.Sb5 Sa6 10.Da4 Sc5 11.Sd6+ Kd8 12.De8 matt wurde bereits Jahrhunderte zuvor von Greco erwähnt) 8.0–0 Lb6 9.a4 a5 10.Sc3 Se7 11.Le3 Sd7 12.Tad1 oder 6…Dd7 7.Db3 c6 8.Sc3 nebst Rochade und Td1 verspricht Weiß ebenfalls einigen Vorteil. 7.Db3 De7 Der einzige Zug. Dd7? 8.Dxb7 Dc6 9.Lb5 kostet die Dame. 7…Ld6 8.Lxf7+ war einen Monat zuvor im Zweikampf von Morphy mit Daniel Harrwitz geschehen, der ebenfalls in Paris ausgetragen wurde. Nach 59 Zügen gab dabei Schwarz auf. 8.Sc3!? Im Stil des Jahrhunderts setzt Morphy auf Entwicklung und Angriff. Heutzutage würden Großmeister mit 8.Lxf7+! Kd8 (Dxf7 9.Dxb7 kostet den Turm) 9.Dxb7 Db4+ 10.Dxb4 Lxb4+ 11.c3 Lc5 12.Lg5 Sbd7 die zwei Bauern schnappen und locker nach Hause schieben. Unterhaltsam endete 1930 die Partie Tenk – Egert in Brno: 13.Sd2 Tf8 14.Le6 h6 15.Lxd7 hxg5 16.Lc6 Tb8 17.Sf3 Stellt eine kleine Falle. Txb2?? 18.0–0–0+! 1:0. Schwarz hatte die Rochade-Regel missinterpretiert, die besagt, dass der König nicht über ein Schachfeld rochieren darf. Vom Turm ist im Reglement nirgends die Rede! Im Übrigen ein bis heute nicht ganz ausgemerztes Unwissen! Der Berichterstatter gewann einst gegen den Internationalen Meister Andrew Martin leicht durch eine lange Rochade, weil der Engländer diese in analoger Position mit seinem Turm auf b7 für nicht statthaft hielt! c6 9.Lg5 b5? Greift zu Gewaltmaßnahmen, die Weiß brillant widerlegt. Dc7 10.0–0–0 Lc5 erlaubt 11.Lxf7+! Dxf7 12.Td8+ Ke7 (Kxd8 13.Dxf7) 13.Dxb7+ Ke6 14.Dxf7+ Kxf7 15.Txh8. Ebenso erweist sich 9…Sa6 10.Lxa6 bxa6 11.Dc4 als unersprießlich und verliert langfristig. 9…h6! dürfte noch am hartnäckigsten sein. 10.Lxf6 gxf6 11.0–0–0 mit weißem Vorteil, der aber noch nicht vorentscheidend ist. 10.Sxb5! cxb5 11.Lxb5+ Sbd7 Kd8 führt ebenso ins Verderben. 12.0–0–0+ Kc7 13.Td3 Db4 14.Dxf7+ De7 15.Tc3+ Kb7 16.Dc4 und lediglich Dc5 schiebt den Untergang des Königs hinaus. 17.Lxf6 Dxc4 (gxf6 18.Df7+ De7 19.Dd5+ Kb6 20.Tc6+ Ka5 21.Le2+ Ka4 22.Db5 matt) 18.Lxc4 gxf6 19.Ld5+ Kb6 20.Lxa8. 12.0–0–0 Td8 Db4 13.Lxf6 Dxb3 (gxf6 14.Lxd7+) 14.Lxd7 matt. 13.Txd7! „Morphy befindet sich in seinem Fahrwasser. Die brillanten Opferwendungen gestalten die Partie zu einer der schönsten, die je gespielt wurden", jauchzte Ausnahmekönner Geza Maroczy später. Txd7 14.Td1 De6 Db4 15.Lxf6 gxf6 16.Lxd7+. 15.Lxd7+! Sxd7 16.Db8+!! „Ein herrliches Finale", befand nicht nur der ehemalige Weltmeister und Weltverbandspräsident Max Euwe. Sxb8 17.Td8 matt.
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