Schach Praline Pos1

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Kann Weiß gewinnen ???

Montag, 11. Februar 2013

Kalenderblätter [3]

 
 

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über SCHACH - TICKER von FJ am 09.02.13

Zum 100. Geburtstag von Erich Gottlieb Eliskases [15. Februar 1913 bis 2. Februar 1997]

 

Das Jahr 1913 war wohl wie kein zweites. „Der große Krieg in Europa, der ewig drohte", wird zwölf Monate später kommen. Wer eine epochale Zeitreise machen möchte, dem empfehle ich, unbedingt das Buch „1913. Der Sommer des Jahrhunderts" (Fischer-Verlag Frankfurt/Main 2012) zu lesen, dass zum Mit- und Nacherleben einlädt. Obwohl Schach darin wahrlich keine Rolle spielt, aber ein gewisser Marcel Duchamp (28. Juli 1887 bis 2. Oktober 1968), der die Kunstwelt verändern wird, findet schon Erwähnung. Zwischen 1928 und 1933 wird er sich sogar hauptsächlich mit Schach beschäftigen, hauptsächlich, um sich dem Kunstbetrieb zu entziehen. Mit dieser Besessenheit schafft er es sogar in Frankreichs Nationalmannschaft und nicht in diesem Zeitraum an vier Schacholympiaden teil, darunter 1930 im Hamburg.

 

Bei diesem dritten Welttreffen der Nationen (13. bis 27. Juli) hätte nicht fiel gefehlt, und er wäre auf unseren Jubilar aus Salzburg getroffen. Aber es gab in Hamburg noch keine festgeschriebene Brettreihenfolge. Und so trafen Duchamp und Erich Gottlieb Eliskases, der Sohn eines Schneiders aus Innsbruck nicht aufeinander. Der gerade einmal 17-jährige Österreicher überraschte allerdings mit 11/15 bei seinem ersten Olympiaauftritt gewaltig. Acht Siege, sechs Unentschieden und nur eine einzige Niederlage gegen den Spitzenspieler der Tschechoslowakei Salo Flohr – das Team Austria hatte einen künftigen Weltklassemann in seinen Reihen und verbuchte mit Platz 4 gleichzeitig seine bis heute beste Olympia-Platzierung.

 

Dass der Tiroler – sie sollen ja laut Volkslied lustig sein – wenig Gefallen an seinem Studium des Welthandels fand versteht sich. Da wurde ihm der Posten des Chefredakteurs der Wiener Schachzeitung gerade zur rechten Zeit angeboten – und der damals 22-Jährige griff zu. Und er sollte für das legendäre Zeitschrift ein Glückgriff sein. „Klarer Stil, tiefgründige Analysen, objektive Positionsauffassungen sind gute Grundlagen der literarischen Begabung unseres Meisters", so Hans Müller später, der einer die produktivsten österreichischen Schachjournalisten war. Mit ihm stand Eliskases nach 1930 noch bei den Schacholympiaden 1933 Folkestone und 1935 in Warschau im Team seines Landes.

 

Seinen größten Einzelerfolg feierte er fraglos 1938 mit Platz 1 beim Turnier in Noordwijk. Hier distanzierte Eliskases den ebenfalls ungeschlagenen Paul Keres um einen Punkt und Exweltmeister Max Euwe sogar um 2,5 Zähler – und das bei nur nun Runden!

 

Mit der de facto Annexion Österreichs am 12. März 1938 muss der gerade 25-Jährige nun für Deutschland spielen. Und er meldete mit dem Titelgewinn bei den 5. Meisterschaften von Deutschland in Bad Oeynhausen – sein Vorsprung vor dem Zweitplatzierten Titelverteidiger Georg Kieninger beträgt 2,5 Punkte – seine Anwartschaft auf einem Platz in der Nationalmannschaft nachdrücklich an. Im Jahr darauf triumphierte er erneut in Bad Oeynhausen, nachdem er zuvor ein vom Deutschen Schachbund organisiertes Match gegen Exweltmeister Jefim Bogoljubow, das auf 22 Partien angesetzt war, mit 11,5: 8,5 vorzeitig für sich entschieden hatte.

 

Als er mit dem Olympiateam im Sommer 1939 zum Länderturnier nach Buenos Aires per Schiff reiste, ahnte nicht nur Erich Eliskases, dass es für ihn ein Abschied von der „Alten Welt" für immer werden sollte. Noch während der achten Schacholympiade (24. August bis 19. September) brach der Zweite Weltkrieg aus. Dass die Veranstaltung, die nicht abgebrochen wurde, mit einem deutschen Sieg endete – es ist bis heute die einzige Goldmedaille geblieben – dürfte in der argentinischen Hauptstadt dann kaum noch jemanden interessiert haben. Eliskases verspürte jedenfalls kein Bedürfnis in das „Deutschland unterm Hakenkreuz" zurück zu kehren, wie im Übrigen auch seine Mannschaftskollegen, die wie er auch nach Kriegsende nicht in ihre alte Heimat zurück kehrten.

 

Für Eliskases folgte ein zehnjährige Odyssee nach Brasilien. Wie für die Südamerika. Emigranten, die zudem der spanischen Sprache nicht mächtig waren, ging es auch von den Schachprofi zunächst um Überleben. 1948 hatte er es dann zu eine gute Stellung in einem Warenhaus in Porto Alegre gebracht, wie in einem Nachruf der Wiener Zeitung vom 1. April 1997 zu lesen ist.

 

Schachlich sorgte Eliskases, der 1937 Sekundant von Alexander Aljechin im WM-Revanchematch gegen Max Euwe war, erst Ende der 1940er Jahre wieder für Schlagzeilen. So gewann er 1948 das internationale Turnier in Mar del Plata mit 13/17 überzeugend vor Gideon Stahlberg (11,5). Und er erreichte 1952 sogar das Interzonenturnier, wo er mit 10,5 Punkten aus 21 Partien, was Platz 10 bedeutete, durchaus ehrenvoll abschnitt. Aus dem UdSSR-Quintett mit Kotow, Petrosjan, Taimanow, Geller und Awerbach, das so geschlossen durchs Ziel ging, konnte ihn jedenfalls nur der Erstgenannte bezwingen.

 

Für ihn selbst, der sich inzwischen mit seiner neu gegründeten Familie in Cordoba niedergelassen hatte, , war Schach fortan nicht mehr der Lebensmittelpunkt. Allerdings sollte Eliskases noch vier Schacholympiaden (1952, 1958, 1960 und 1964) spielen. Und gleich beim ersten Start für seine neue Wahlheimat in Helsinki sieben Jahre nach Ende des fürchterlichen Weltenbrandes hatte er mit seinen 6/10 an Brett 3 wesentlichen Anteil an der argentinischen Silbermedaille. In München 1958 stand er dann erneut auf dem Treppchen. Mit Bronze war damit sein Medaillensatz komplett, und es gibt zudem nur wenige Schachspieler, die in ihrer sportlichen Karriere für drei Länder am wichtigsten Mannschaftsturnier im Schach angetreten sind.

 

Dem aktuellen Schachkalender 2013 aus der Edition Marco ist übrigens ein interessanter Hinweis zu verdanken, dessen Quelle der Schachjournalist Hans Ree ist. Der Niederländer stellte nämlich einmal fest, „dass es nur vier Spieler gibt, die sowohl gegen Capablanca als auch gegen Robert James Fischer eine Partie gewonnen haben: Paul Keres, Samuel Reshevsky, Max Euwe1 und eben Erich Eliskases.

 

Was freilich die Bilanz des Quartetts gegen den elften Weltmeister der Schachgeschichte Robert James Fischer angeht, so kann nur der Innsbrucker in regulären Wettkämpfen ein ausgeglichenes Saldo vorweisen, der vor allem in Endspielen eine feine Klinge schlug, wie seine Siegpartie gegen Fischer beweist, die wir bewusst an den Schluss dieses Kalenderblattes stellen möchten:

 

Eliskases, E. – Fischer, R. [E22]

Internationales Turnier

Buenos Aires Buenos Aires,

Runde 5, 28. Juni 1960

Nimzowitsch-Indische Verteidigung [E22]

Einleitend merkt Edmar Mednis in seinen Band Wie schlägt man Bobby Fischer? (Deutsche Erstauflage im Sportverlag Berlin 1993) zu dieser Partie an: Bobby Fischer verliert ein völlig ausgeglichenes Endspiel durch einen furchtbaren, sofort entscheidenden Leichtsinnsfehler [...] Psychologisch mag der Fehler durch ein übertriebenes Gewinnstreben zu erklären sein. Er ist aber wohl eher ein Beispiel elementarer Schachblindheit."

1.c4 Sf6 2.Sc3 e6 3.Sf3 d5 4.d4 Lb4 5.Db3 Nc6 6.Lg5 h6 7.Lxf6 Dxf6 8.e3 dxc4 9.Lxc4 0–0 10.0–0 De7 11.Dc2 Ld6 12.Tad1 Kh8 13.a3 e5 14.Sd5 De8 15.dxe5 Sxe5 16.Sxe5 Dxe5 17.f4 De8 18.e4 c6 19.Sc3 Lc7 20.De2 Le6 21.e5 De7 22.Se4 Tad8 23.Kh1 Tfe8 24.Lxe6 Dxe6 25.Sc5 Dc8 26.Dh5 Txd1 27.Txd1 Td8 28.h3 Kg8 29.Txd8+ Dxd8 30.e6 De7 31.Df5 b6 32.exf7+ Dxf7 33.Dc8+ Kh7 34.Se6 Ld6 35.g4 Df6 36.Dd7 De7 37.Dxe7 Lxe7 38.Sd4 c5 39.Sc6 Ld6 40.Sxa7 c4 41.Sc8

 

 

41…Lc5?? [„Dieser sofort nach Wiederaufnahme der Partie ausgeführte Zug ist schachlich total unbegreiflich. Es war höchste Zeit, die Punkteteilung durch 41...Lxa3! 42.Sxb6 (aber nicht 42.bxa3 c3, und der Bauer geht zur Dame) 42...Lxb2 43.Sxc4 Lc1 44.f5 h5! Abzusichern. Schwarz tauscht danach alle weiteren Bauern ab und hält leicht remis", so Mednis in seinem Kommentar.] 42.a4 Kg6 43.Kg2 Kf6 44.Kf3 Ke6 45.Ke4 Lf2 46.f5+ Kd7 47.Sa7 Kd6 48.Sb5+ Kc5 49.Sc7 Lh4 50.Se8 Kb4 51.Kd5 Le7 52.Sxg7 Lf6 53.Se8 Lxb2 54.f6 Lxf6 55.Sxf6 c3 56.Sh5 Kxa4 57.Sf4 b5 58.Se2 c2 [„Hier wurde die Partie zum zweiten Mal abgebrochen. Fischer gab auf, ohne das Spiel wieder aufzunehmen. Die Gewinnführung ist einfach: 59.Kc5 b4 60.Kc4 Ka3 61.h4 b3 62.Kc3 b2 (oder 62...Ka2 63.Sc1+ und 64.Sxb3) 63.Kxc2 Ka2 64.Sc3+", erläutert abschließend Mednis]

 

Turniersieger in Buenos Aires 1960 wurde übrigens Viktor Kortschnoi (13/19) vor dem punktgleichen Samuel Reshevsky. Der 17-jährige Fischer – außer diese Partie verliert er auch gegen die beiden Deutschen Wolfgang Unzicker und Wolfgang Uhlmann, seinen Landsmann Pal Benkö, und den Argentinier Bernardo Wexler – belegte mit 8,5 Punkten einen für ihn enttäuschenden Platz 13. Einen halben Punkt dahinter auf Rang 17 landete Erich Gottlieb Eliskases, der am 15. Februar 2013 seinen 100. Geburtstag hätte.

 

Raymund Stolze

 


1 Es war jedoch keine offizielle Wettkampfpartie, sondern ein Trainingsmatch, das im März 1957 im Manhattan Chess Club in New York stattfand. Exweltmeister Max Euwe gewann die erste Partie, und die zweite endete remis, wobei diese laut seinen Erinnerungen wie die Begegnung Botwinnik – Euwe, Leningrad 1934, verlief. Nach 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4. La4 (später bevorzugte Fischer häufig die Spanische-Abtauschvariante, also 4…Lxc6) 5.0-0 Sxe4 6.d4 b5 7.Lb3 d5 8.dxe5 Le6 9.c3 Le7 10.Sbd2 0-0 11.De2 Sc5 12.Sd4 Sxb3 12.S2xb3 Dd7 14.Sxc6 Dxc6, 15.Le3 Dc4 ½:½.


 
 

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