Diese Nachricht wurde Ihnen von boesian via Google Reader gesendet.
Tarrasch verliert WM-Kampf wegen der „Seeluft in Düsseldorf"
Von Hartmut Metz
Siegbert Tarrasch betrat den Raum, blickte Emanuel Lasker an, schlug die Hacken zusammen und verbeugte sich steif: „Für Sie, Herr Dr. Lasker, habe ich nur drei Worte: Schach und Matt!" Nach dieser einmaligen Begrüßung in der Geschichte der Weltmeisterschaften verbeugte sich Tarrasch nochmals kurz und schritt von dannen.
Diese Szene von 1908, die im schönsten Schach-Lesebuch „Die Großmeister des Schach" von Harold Schonberg so trefflich beschrieben wird, spiegelt das Verhältnis zwischen den beiden deutschen Vorzeige-Großmeistern wider. Der am 5. März 1862 geborene Tarrasch (Fortsetzung von Teil 1 zu seinem 150. Geburtstag) und Lasker verachteten sich. Der praktizierende Mediziner aus Nürnberg geißelte das Profitum von Lasker und mochte sich vor allem nicht mit dessen rein erfolgsorientiertem Spiel anfreunden. „Hässliche" Züge vermied der Dogmatiker. Der Weltmeister zog in seiner Zeitschrift im Januar 1906 dagegen über seinen Erzrivalen her: „Dr. Tarraschs Stärke oder Schwäche – wie man wünscht – ist seine ausgesprochene Eigenliebe. Ohne sie wäre er ein höchst mittelmäßiger Schachspieler; in abnormem Maße mit ihr begabt, ist er ein Gigant geworden."
Hatte Tarrasch noch 1892 ein Match gegen Lasker abgelehnt, weil dieser zu schwach sei, kam es erst 1908 zu Stande. In all den Jahren zuvor hatten sie sich gemieden. Mit 46 war Tarrasch im Gegensatz zu seinem sechs Jahre jüngeren Kontrahenten, der 1894 Wilhelm Steinitz als Weltmeister abgelöst hatte, über seinen Zenit hinaus. Das Match schlug zwar auf deutschem Boden Tausende in seinen Bann, verlief aber einseitig. Lasker siegte mit 8:3 (bei fünf Remis). Tarrasch entschuldigte seine Schlappe mit der „Seeluft". Das „British Chess Magazine" spottete, das Alibi „klingt ein wenig dürftig. Düsseldorf ist gut 270 Kilometer von der Küste entfernt. Ein Talent, das so empfindlich gegen die Seeluft ist, ist nicht robust genug, um die Weltmeisterschaft auf seinen Schultern zu tragen".
Garri Kasparow urteilt in der Buchreihe über seine Vorgänger auf dem WM-Thron, Tarraschs „tiefer Glaube an die absolute Macht von besten Zügen" habe ihn „wenig empfänglich für den ,Unsinn' gemacht, psychologische Einflüsse, die den Ausgang der Partien beeinflussen" ins Kalkül zu ziehen. Der Russe findet deshalb: „Gegen Lasker hatte diese Dickköpfigkeit fatale Folgen."
Nach zwei Auftaktniederlagen konnte Tarrasch in der nachstehenden dritten Partie am 22. August 1908 auf 1:2 verkürzen – doch anschließend baute der Weltmeister den Vorsprung mühelos weiter aus.
W: Lasker S: Tarrasch
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0–0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 d6 8.c3 Sa5 9.Lc2 c5 10.d4 Dc7 11.Sbd2 Sc6 12.h3 0–0 13.Sf1 cxd4 14.cxd4 Sxd4 15.Sxd4 exd4 16.Sg3?! Nachdem der Springerzug nicht die erhoffte Wirkung zeigte, griff Lasker in der nächsten Weiß-Partie zu 16.Lg5! Tarrasch ging in der Folge unter: h6 17.Lh4 Db6 18.Dd3 g5 19.Lg3 Le6 20.Tad1 Tfc8 21.Lb1 Sd7?! 22.e5! Sf8 23.Df3 d5 24.Dh5 Kg7 25.f4 f5? Der Verlustzug. 26.exf6+ Lxf6 27.fxg5 hxg5 28.Le5 d3+ 29.Kh1 Sg6 30.Dxg5 Lf7 31.Sg3 Lxe5 32.Txe5 Th8 33.Lxd3 Ta7 34.Tde1 Kf8 35.Lxg6 Dxg6 36.De3 Tc7 37.Sf5 Dc6 38.Dg5 1:0. Nach der bitteren Niederlage in Partie fünf stellte Tarrasch um auf Französisch statt Spanisch. Sd7 17.Lb3 Db6 18.Sf5 Lf6 19.Lf4 Se5 20.Ld5 Ta7 21.Db3 Tc7 22.g4 g6 23.Sh6+ Kg7 24.g5 Ld8 25.Dg3 f6 26.Sf5+? 26.gxf6+ Lxf6 27.Tac1 ist noch spielbar. Aber auch in diesem Fall hat Schwarz einigen Vorteil. Kh8 27.Sh4 fxg5 28.Lxg5 Lxg5 29.Dxg5 d3 30.Kh1 Tc2 Schwarz steht völlig auf Gewinn. Überall hängen Bauern und der weiße König steht gefährdeter als sein Pendant. 31.Te3 Tfxf2 32.Sg2 d2 Txg2 verbietet sich natürlich wegen 33.Df6 matt. 33.Tg1 Tc1 34.De7 Txg1+ 35.Kxg1 d1D+ 36.Kxf2 Df3+ 37.Ke1 Da5+ Sd3+ setzt gleich matt. 38.Kd2 (38.Txd3 Dbf2 matt) Da5+ 39.b4 Dxb4+ 40.Kc2 Dxg2+ 41.Kxd3 Dgd2 matt. 38.Tc3 Lxh3 39.Dxd6 Daxc3+ 40.bxc3 Dxc3+ 41.Ke2 Dc2+ 42.Ke3 Dd3+ 43.Kf4 g5+ 44.Kxg5 44.Kxe5 Dc3 matt. Sf7+ und weil Lasker die Dame verliert, gab er auf. 0:1.
Nachspielen (benötigt Silverlight) |
Optionen:
- Abonnieren von SCHACH - TICKER mit Google Reader
- Erste Schritte mit Google Reader – Immer informiert über die für Sie wichtigsten Websites
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen