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Copyright Marie-José Lemarchand, Madrid
Bibliothek des Mittelalters "Siruela"
Von Francisco J. Fernández (Web Master)
übersetzt und illustriert von Frank Mayer
Text:
Im Jahre 1549 veröffentlichte in Valladolid der Akademiker Martín Reyna eine spanische Fassung des Werkes
"Liber de moribis hominum et de officiis nobilium, sive super ludum scacchorum"
geschrieben von dem italienischen Schrifsteller
Jacobo de Cessolis, dominico Lombardo, der die Texte in den Jahren 1.300 und 1.330 erarbeitete.
Das, was uns der Verlag Siruela anbietet, ist eine mehr oder weniger überarbeitete Darstellung der damaligen Reyna-Übersetzung:
Es handelt sich hierbei um eine Fassung, die sich nicht unbedingt an die philologische Strenge hält, aber sie ermöglicht uns zumindest, in jenes kulturelle Universum einzusteigen, das so unterschiedlich ist gegenüber unseren heutigen Auffassungen.
Obwohl wir Schachspieler weniger ungebildet sind wie im allgemeinen andere Sportler, haben wir jedoch noch nicht das gewünschte Niveau erreicht.
Gemalt von Minas Avetisian
Ich stelle die Rezension dieses Werkes vor (mit einem ausserordentlichen Erfolg in der damaligen Zeit), um den geneigten Lesern die Dimension zu erklären, was das Schach (oder ludus scacchorum) seit seinen Anfängen darstellte, das heisst eine "moralische Dimension".
gemalt von Nicolas Sphicas
Obwohl die Bezeichnung (des Wortes Schach) etwas altertümlich ist, glaube ich nicht, dass ihre Absicht so unterschiedlich war, um klar zu erkennen, was hinter den Erziehungsprojekten steht, die dafür kämpfen, dass das Schach in den Schulen gelehrt werden soll.
Gewiss ist, dass sich die religiöse Tendenz durch das ganze Buch zieht:
"Gegen den Teufel haben wir die Welt gewonnen, Christus befreite uns und gab uns dieses Spiel des Schachs zurück auf das Schachbrett des menschlichen Lebens (S. 124-5).
Wer aber erinnert sich nicht an Bobby Fischer, als er erklärte:
"Das Schach ist das Leben!"
copyright huerfanosconpadre.com
Die Kapazität, die unser Spiel hat, um allegorisch zu wirken, wurde vielfach erwähnt, und die Literatur hat sich dessen mehr als einmal bedient. (Hier werden verschiedene Quellen angegeben.)
Der Verdienst von Cessolis ist vielleicht der, dass er einer der Ersten war, der die "Gleichheit" systematisierte
Schach = Gesellschaft.
Gemalt von Helmut Lichtenegger, Graz
Um dieses Ziel zu erreichen, teilt er sein Werk in vier Abhandlungen auf:
1. Die Erfindung des Spieles
2. Die Herstellung der edlen Schachfiguren
3. Die öffentliche Anerkennung
4. Die verschiedenen Zugmöglichkeiten der Figuren
Auf diese Weise durchläuft man mittels der Rechtfertigung und Schachmetapher die mittelalterliche Gesellschaft, ihre Bekanntmachung in den verschiedenen Bevölkerungsschichten,
Diensten, Hierachien und Abstammungen.
Der Mikrokosmos des Schachbrettes erlaubt, sich in den Makrokosmos der Gesellschaft des 14. Jahrhundert zu versetzen
Gemalt von Guillaume de Tyr – 14. Jahrhundert
und all das gefüllt mit Beispielen aus der klassischen Antike:
- dutzende Anekdoten von Philosophen
- Fabeln
- Reime
- mehr oder weniger schwierige Geschichten
so gelenkt, um damit die Tugenden zu loben und die Laster zu tadeln.
Allerdings gibt es etwas Erstaunliches, das ich gern einmal kurz schildern möchte:
Man weiss gar nicht so richtig, wo der eigentliche Spieler seinen Platz hat, denn im Prinzip wäre die ihm zugedachte Figur
"Der Bauer vor der linken Rochade" (Feld "a2"),
die "Spieler, Schelme oder Schurken und Strolche" (S. 102) widerspiegelt,
Gemalt von José Montgrell Torrent
aber ich wage zu behaupten, dass diese Attribute eher denjenigen zuzuschreiben sind, die mit Würfeln spielen (jedoch der Zusatz von Cessolis, dass es sich hierbei um solche handele, die mit käuflichen Mädchen zu tun haben, ist sicher in diesem Zusammenhang nicht so wichtig.)
Also, wie zu erkennen ist, scheint die Lösung des lombardischen Herrn durchschaubar zu sein:
"Da eines der Heere von dem Teufel angeführt wird, kann das andere nur von dem eigentlichen Jesus Christus angeführt werden. Christus also als Schachspieler……"
Den wirklich interessierten Turnier-Schachspielern von heute muss die von Cessolis empfohlene Form (oder Methode) erklärt werden, wie man ein Spiel nicht verlieren soll, d.h. "nicht zu den Vergnügen, Ehrgefühlen und Reichtümern zu tendieren, weil man dadurch die Beurteilung der vollkommenen Vernunft und Diskretion verliert." (S. 109)
Wenn einer von uns glaubt, dass jene Thesen nicht zu ihm passen, dann soll er einmal darüber nachdenken, wie oft er eine Partie aus einer ästhetischen Betrachtungsweise (Vergnügen) verloren, wie oft er an die Klassifikation am Schluss des Wettbewerbes oder an die Elo-Werte, die er gewinnen oder verlieren wird (Ehrgefühle), gedacht hat und wie viele Spiele mit einem friedlichen Remis wegen lächerlicher Geldprämien (Reichtümer) vereinbart hat.
Gemalt von Elke Rehder
Den Rest der in dem Buch vorgeschlagenen Lehren, können die
Leser bzw. Spieler so nutzen, wie sie es für richtig halten.
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Sitges (Barcelona), im September 2009
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